„Ein böhmischer Lebenstraum”

„Gällowitsch“ nennen ihn seine Scherzachtaler Kollegen. Der sympathische Tenorhornist aus Rotheidlen in der Nähe von Ravensburg spielt nicht nur Tenorhorn bei der „Scherzachtaler Blasmusik“ sondern ist ganz nebenbei auch noch Komponist klangvoller Polkas wie Morgengedanken, Sorgenbrecher-Polka, Herzblut und natürlich der Böhmische Traum. Der Polka Bestseller wird mittlerweile auch über den großen Teich in die USA und Canada exportiert, die neue CD ist gerade erschienen und drei neue Polkas sind im Musikverlag Rundel veröffentlicht worden. Hinter der schönen Musik steckt ein sehr netter und bescheidener Familienmensch der gerne unsere Fragen beantwortet hat.


Hallo Herr Gälle, Sie kommen gerade von einem Wochenendurlaub aus Südtirol zurück, schalten Sie da ganz ab von der Blasmusik oder schauen Sie sich dort auch schon mal andere Blaskapellen an?

Ganz abschalten geht gar nicht, die Blasmusik gehört zu mir dazu, egal wo ich gerade bin oder hingehe. Speziell in Südtirol, wo es sehr gute Kapellen gibt, die ich mir auch immer gerne anhöre.

Der Böhmische Traum ist ohne Übertreibung die Blasmusikkomposition des 21. Jahrhunderts und Ihr Name ist eng mit dem Titel verbunden. Sie werden sicherlich viel auf diese Polka angesprochen, nervt Sie das schon ein bisschen?

Nein, ich freue mich nach wie vor jedesmal wenn ich ein Feedback bekomme und bin schon etwas stolz darauf, auch den Geschmack der " Jungen" damit getroffen zu haben. War doch lange genug so dass Blasmusik zur "alte Herren"-Musik "verurteilt" war.

Hat der Böhmische Traum ihr Leben verändert?

Ganz klar: Ja. Als kleiner Bub habe ich Ernst Mosch und seine Egerländer bewundert und davon geträumt auch bei solchen Konzerten zu spielen. Ich habe mitgejubelt und mir vorgestellt, wie es so wäre auf der Bühne zu stehen. Im kleinen Rahmen haben wir "Scherzachtaler" das doch nun durch den Böhmischen Traum auch erreicht, und auch so haben sich durch diesen Titel und dessen Erfolg einige Veränderungen in meinem Leben ergeben. Ich persönlich bin aber immer noch der, der ich immer war.

Ein Stück was ich unweigerlich mit dem "Böhmischen Traum" in Verbindung bringe ist "Abba Gold" beide Lieder werden von jedem Blasorchester auf den Festzelten Deutschlands rauf- und runter gespielt. Könnten Sie sich vorstellen Abba Gold mit den Scherzachtalern zu spielen?

Ja, warum nicht!? Mann müsste es mal versuchen, Abba finde ich auch klasse!

Auf „Youtube“ gibt es zahlreiche Orchester die sich mit dem Böhmischen Traum darstellen, schauen Sie sich sowas an um zu sehen wie andere Ihre Musik interpretieren, und haben Sie eventuell sogar einen Favoriten?

Ab und zu schaue ich da ganz gerne mal rein, ist schon interessant, was da so alles zu finden ist. Mein Favorit ist der "B-Dream-Mix", der ist toll gemacht.

Oh ja, unser Tenorhornist schwärmt da auch von. Gibt es auch Momente wo Sie denken "Schön das Ihr meine Musik spielt, aber bitte nicht so!"

Natürlich, auch das kommt vor, doch ich denke das sich alle Mühe geben und es kann nicht immer perfekt sein.

Das trifft mit Sicherheit auch auf das Blasorchester Salinia zu, haben Sie einen Tipp für uns zur Interpretation des "Böhmischen Traums"? Was sollte man in jedem Fall vermeiden, bzw. worauf sollte man besonders achten (Tempo, Artikulation etc.)?

Die Polka sollte nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam gespielt werden - mit Gefühlt und viel Herz :-)

Nicht zu schnell aber auch nicht zu langsam? Das ist eine konkrete Aussage.
Die Blaskapelle Gloria spielt den „Traum“ live öfters mal bei ca. 87 bpm während die Aufnahme der Scherzachtaler bei ca. 112bpm liegt. Gehe ich recht in der Annahme dass die „Gloria“ hier ein kleines bisschen zu langsam ist.

Die Blaskapelle Gloria ist für meinen Geschmack viel zu langsam. Das Tempo sollte jeder Dirigent selber entscheiden. Das Wichtigste ist, die kurzen Noten extrem anstoßen, die langen Noten aushalten und immer bis an die Grenze auf die "1" kommen, so dass das Stück nicht "lasch" wird. Für mich persönlich spielen die "Scherzachtaler" den Böhmischen Traum genau so, wie ich ihn haben möchte.

Das sollte man meinen, kommt es denn mal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihrenm Bruder und den Komponisten in der Kapelle bezüglich der Interpretation?

Nein, Anton lässt mir, wie auch den anderen Komponisten in unseren Reihen freie Hand. Er kennt mich selber gut genug, um zu wissen, das ich sowieso nichts raus lasse, was mir nicht zu 100% zusagt. Bei den anderen Werken ist er jedoch konsequent in seiner Vorstellung, wie was gespielt werden soll und lässt sich dabei nicht reinreden. Die Interpretationen der " zugekauften Stücke" liegen allein in seiner Hand.

Könnten Sie sich ein Konzert der Scherzachtaler ohne den „Böhmischen Traum“ vorstellen?

Das haben wir tatsächlich mal versucht, doch das Publikum hat getobt und der Veranstalter hat sogar damit gedroht, einen Teil der Gage einzubehalten. Nun ja, der Böhmische Traum ist sowas wie unsere Hymne geworden und die gehört einfach dazu. Wenn die Leute so mitmachen und Spaß daran haben, denke ich, gehört die Polka auf jeden Fall ins Programm.

Ihre neue Polka "Lebensträume" kann Ähnlichkeiten zum Böhmischen Traum nicht verleugnen, kann man daraus die Schlussfolgerung ziehen dass es Ihr Lebenstraum war den Böhmischen Traum zu schreiben, soll heißen ist das Absicht oder einfach nur Ihr Stil?

Es ist wohl schon mein Stil, doch die Lebensträume sind schon etwas in Anlehnung an den Böhmischen Traum geschrieben. Diese Polka hat, wie auch schon oben erwähnt, mein Leben verändert und den einen oder anderen Traum erfüllen lassen.

Genug vom Böhmischen Traum. Im Jahre 2001 belegten Sie mit der Scherzachtaler Blasmusik bei der "Europameisterschaft der böhmischen Blasmusik" den 1. Rang bei den Amateuren, ein weiterer Höhepunkt der Scherzachtaler, fragt man sich dann nicht mal "Womit hab ich das verdient?".

Ich denke, dass solche Erfolge der Lohn dafür sind, dass wir nie aufgegeben haben. Wir haben sehr klein angefangen aber immer an uns geglaubt und was am wichtigsten ist, immer Musik mit und vom Herzen gemacht.

Auch Ihre Kompositionen kommen vom Herzen, das hört man. In einem anderen Interview sagten Sie mal Sie würden alle 2 Jahre ein neues Stück komponieren, hat sich das mittlerweile geändert oder warum sind jetzt gleich 3 neue Polkas von Ihnen erschienen?

Wie ja schon erwähnt, hat sich mein Leben doch etwas verändert, so auch meine Berufliche Tätigkeit, ich arbeite nicht mehr als Heizungsbauer auf dem Bau. Letztes Jahr habe ich mich als Komponist selbständig gemacht, außerdem habe ich mir einen schon lange gehegten Wunsch erfüllt und den LKW- Führerschein gemacht. Ab und zu mache ich nun Touren mit dem Truck für ein befreundetes Transportunternehmen und dabei hat man doch sehr viel Zeit, was auch meiner Inspiration gut tut. Was heißt, ich habe mehr Zeit um neue Stücke zu komponieren.

Mit den Auftritten zusammen geht da sicher viel Zeit drauf, finden Sie noch die Zeit auf Ihrem Instrument zu üben?

Wie man sich sicher denken kann, bei 27- 30 Live Auftrittten in der Saison ( von März-November) nimmt die Musik schon viel Zeit in Anspruch. Im Jahr haben wir vor bzw. nach der Saison zwischen 8 und 10 Probetermine mit der Kapelle. Während der Saison proben wir nicht. Ich selber spiele täglich zwischen 30 min und 1 Stunde mit dem Tenorhorn. Im Urlaub nehme ich mein Mundstück mit und mache zusätzlich Atemübungen.

Selbstständiger Komponist, klingt wie ein Traumberuf. Wollen Sie ausschließlich traditionelle Blasmusik komponieren oder können Sie sich auch vorstellen für Symphonisches Blasorchester zu schreiben?

Nein, ich möchte schon bei der traditionellen Blasmusik bleiben, eventuell in die Moderne Blasmusik gehend, aber nicht symphonisch.

Wie entstehen Ihre Kompositionen? Spielen Sie die Ideen erst auf dem Tenorhorn oder auf dem Klavier oder benutzen Sie einen Computer?

Ich habe eigentlich immer ein Diktiergerät bei mir, ob beim Spazieren laufen, Motorradfahren oder wie ja eben erwähnt im LKW kommen mir oft Ideen, die ich mir dann auf‘s Band singe. Zuhause setze ich dann mit dem Tenorhorn den 1. Ton. In Folge setz ich mich mit Notenpapier, Bleistift und RADIERGUMMI an meinen Schreibtisch. Alles reinste Handarbeit, ich habe es mal mit einem Computerprogramm versucht, doch am Computer bin ich `ne Niete, ich kenne mich nicht aus und bin da auch kläglich gescheitert. Es dauert in Handarbeit zwar länger, doch dabei bin ich mir sicher, dass es passt.

Wenn Sie am PC eine Niete sind mussten Sie dann Ihre Antworten auf meine Mails im Zwei Finger Suchsystem beantworten?

Alles was mit Büro zu tun hat erledigt meine Frau für mich, wir sitzen zusammen im Büro, ich diktiere und Sie schreibt für mich. Da ich tatsächlich nur mit dem "2 Finger Suchsystem" weiterkomme, somit wäre dieses Interview in 2 Wochen noch nicht fertig :-)

In letzter Zeit häufen sich die Meldungen über Komponisten und Arrangeure die Ihre Werke mit Laien- und Profiblaskapellen einstudieren, haben Sie auch Ambitionen eine Art "Gälle dirigiert Gälle" anzubieten?

Haben wir doch: „Anton Gälle dirigiert Norbert Gälle“. Spaß beiseite- dafür fehlt mir das nötige "Know how“. Eventuell mal zum Spaß, doch diesen Part überlasse ich denen, die Ihr Handwerk verstehen, denn wie schon Ernst Mosch gesagt hat: „Es gibt keine schlechten Musikanten, es gibt nur schlechte KUTSCHER“

Am 8. August haben Sie einen Auftritt in Aurich bei Bremen wir freuen uns natürlich darüber, schließlich ist es ziemlich in unserer Nähe, waren Sie schon öfter mit den Scherzachtalern hier im Norden oder sogar in Niedersachsen?

Dreimal waren wir schon im Norden, in Barnin, das ist in der Nähe von Schwerin (Mecklenburg- Vorpommern). In Niedersachsen waren wir noch nie, eventuell ändert sich das ja durch den Auftritt in Aurich. Das würde uns natürlich sehr freuen, wie ich schon öfter mitbekommen habe, sind die Blasmusikfreunde da richtig gut drauf. In jedem Fall sind wir gespannt auf die Gegend und freuen uns schon sehr darauf.

Das Blasorchester Salinia ist kein Freund "gesungener" Blasmusik, wird bei Ihren Konzerten viel gesungen?

In der Saison 2008 bei einem 3,5 - 4 Stunden Programm haben wir 4 gesungene Titel. Auch wir sind eher Freunde der "Instrumentalen -Blasmusik"

Dennoch fragen viele unserer Besucher nach dem Text zum Böhmischen Traum, Georg Raith schrieb einen Text für das gesamte Lied und es existiert auch noch ein weiterer Text zum Refrain. Natürlich freut es uns dass Ihre Kompositionen generell ohne Gesang auskommen, dennoch stellt sich die Frage warum es keine offiziellen Texte zu Ihren Polkas gibt? Schließlich wird in der böhmischen Blasmusik im Allgemeinen ja viel gesungen.

Für mich zählt die Melodie, den Böhmischen Traum habe ich als reine Instrumental-Polka geschrieben, wie auch meine anderen Titel. Dass die Fans Texte dazu verfassen ist für mich ok, doch einem offiziellen Titel würde ich erst mal nicht zustimmen. Den Text vom Georg kenne ich, wir haben uns im letzten Jahr getroffen und er hat mir seine CD überreicht. Gefällt mir gut, dennoch steht für mich die Melodie im Vordergrund.

Ich finde im Gegensatz zu Polkas scheint es nur selten gute Walzerkompositionen zu geben. Haben Sie keine Lust mal einen Walzer zu schreiben?

Immer wieder spiele ich mit dem Gedanken, doch dann fällt mir wieder ein guter Polka-Teil ein und ich vertiefe mich dann darin. Eventuell kommt aber mal ein Walzer, wer weiß ?!

Ihr jüngerer Bruder sieht auf den meisten Fotos älter aus als Sie, ist das eine optische Täuschung oder ist das Dirigentenleben anstrengender als das eines Komponisten?

Danke für`s Kompliment. Es scheint wohl doch so zu sein, das der "Done" älter aussieht als ich, so hört man es auch oft unter unseren Konzertbesuchern, wenn unser Conférencier Schorsch mich als älteren Bruder vorstellt, ich denke das wird wohl eher an den Genen liegen als am Musikantenleben und -tun.

Sie sind leidenschaftlicher Motorradfahrer und Blasmusiker, kennen Sie "Biker machen Blasmusik"?

Ja, darauf wurde ich im letzten Jahr mal angesprochen und hab dann auch schon im Internet geschaut. Wäre mal interessant. Das würde mich auch einmal reizen.

Haben Sie noch ein paar gute Ratschläge oder Tipps für junge Blasmusiker denen die Motivation abhanden geht?

Das ist schwer. Junge Leute zu motivieren ist Sache des Dirigenten bzw. der Musiklehrer. In unserer Gegend tragen solche Kapellen wie die Scherzachtaler oder andere Böhmische Besetzungen einen großen Teil dazu bei. Die Jungen kommen immer mehr und feiern Feste zum Teil wie auf Pop-Konzerten. Dazu finde ich es auch wichtig, den "Jungen" in der Kapelle noch Teamgeist und Zusammenhalt zu vermitteln. Nicht nur das Musizieren, sondern auch die Freude, zusammen dem Publikum etwas darzubieten und deren Begeisterung zu wecken gehört dazu.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, Herr Gälle wir danken für das Interview und wünschen Ihnen und der Scherzachtaler Blasmusik alles Gute für die Zukunft, unsere Karten für den 8. August sind schon bestellt und wir freuen uns wie Bolle auf dieses Konzert.


Das Interview führte Ralf Otte, Mitglied vom "Blasorchester Salinia" für die Tageszeitung von Bergen (Sülze).